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Ein Artikel in der Fricktaler Zeitung vom Donnerstag, den 12. Mai 2015.

„Wir dürfen die den Kindern die Kindheit nicht stehlen“

Kinder und Jugendpsychiater Meinrad Bürke

Er sprüht vor Energie und Ideen: Der Rheinfelder Kinder- und Jugendpsychiater Meinrad Bürke kritisiert den Normierungsdruck in unserer Gesellschaft und wünscht sich mehr Freiräume für Kinder.

Valentin Zumsteg


Rheinfelden.  Farbige Wände, viele Spielsachen in den Regalen: Die Praxis des Kinder- und Jugendpsychiaters Meinrad Bürke in Rheinfelden strahlt Heiterkeit aus. „Ich finde es fantastisch, dass die Praxis im Rumpelgässli ist. Was für ein wunderbarer Name“, erklärt der 51- Jährige mit einem Lachen.


Spielend lernen

Bürke selber wirkt eher wie ein Künstler als wie ein Psychiater. Er mag das Spielerische und Kreative. „Die beste Vorbereitung für die Zukunft der Kinder ist das freie Spielen. Und damit meine ich nicht Spiele am Computer oder auf dem iPad. Es ist wichtig, dass die Kinder draussen spielen.“ Es kommt daher nicht von ungefähr, dass er mit seinen Klienten einen Teil der Therapiestunden im Freien durchführt. „Beim Spielen mit einem ferngesteuerten Auto oder mit einem kleinen Segelflugzeut können sich die Kinder vieles spielerisch zu Eigen machen: Grenzen beachten lernen, Verantwortung übernehmen und die Naturgesetze als Freunde kennenlernen.  Lernen durch erleben, das ist mir wichtig.“

Über 80 Prozent der Kinder, die bei ihm zu Behandlung kommen, sind Buben. „Buben ecken heute mehr an. Vielleicht ist die Gesellschaft weiblicher geworden. Auch das heutige Schulsystem ist stärker auf Mädchen ausgerichtet.“ Seine Patienten häufig an Aufmerksamkeits- und Hyperaktivitätsstörungen oder Depressionen. „Ich versuche, sie als ganze Person zu erfassen, nicht als wandelnde Diagnosen. Dabei gehe ich sehr intuitiv vor.“ Dass heutzutage immer mehr Kinder eine Therapie brauchen, sieht er kritisch, auch wenn er als Psychiater davon profitiert.  „Das Gras wächst nicht schneller, wenn man daran zieht. Dieser Spruch gefällt mir, denn er gilt auch für die Kinder. Es gibt Frühzünder und Spätzünder. Albert Einstein war zum Beispiel einSpätzünder. Ich plädiere für mehr Gelassenheit.“

Seit acht Jahren führt er seine Praxis in Rheinfelden. Hierher ist er eher per Zufall gekommen. Meinrad Bürke, der in Frenkendorf  und Riehen aufgewachsen ist, war von 2000 bis 2003 Oberarzt des Kinder- und Jugendpsychiatrischen Dienstes (KJPD) des Kantons Aargau, anschliessend wechselt er nach Chur, wo er als Oberarzt im KJPD Graubünden anfing und 2004 Leiter des Ambulatoriums wurde. Zwei Jahr später  entschloss er sich, eine Auszeit zu nehmen durch Asien zu reisen. „Ich bin immer offen für Neues. Als junger Mann war ich lange mit dem Velo in Senegal und Gambia unterwegs. Viele haben mich für verrückt gehalten, ich habe es einfach gemacht.“ Von Asien aus entschied er sich, eine eigene Praxis zu eröffnen. „ Ich schaute auf die Schweizer Landkarte und fand Rheinfelden.“ Im Mai 2007 hat er hier begonnen, „drei Wochen später war ich ausgebucht“, erklärt er. So ist es seither geblieben.


„Jedes Kind wird mit Lernfreude geboren

„Die Schweiz ist kein besonders kinderfreundliches Land. Es gibt zu wenige Freiräume, wo Kinder noch Kinder sein können. Wir dürfen den Kindern die Kindheit nicht stehlen. Denn die ist ein Schatz, von dem man während des ganzen Lebens zehrt.“ Der Leistung- und Normierungsdruck in Gesellschaft und Schule sei sehr hoch. „Jedes Kind wird mit Lernfreude geboren. Das gehört zum Menschen.“ Diese Freude werde ihnen in der Schule aber teilweise genommen. Bürke will nicht die Lehrer kritisieren, auch die stünden unter Druck und würden mit immer mehr Administrativem behelligt. „Früher hatte das Zeugnis eine Seite. Heute sind es ausführliche Berichte. Das ist doch verrückt. Die Lehrer sollten ihre Energie in den Unterricht stecken können.“

Bürke selber strahlt eine grosse Lebensfreude aus. Er lässt sich von vielem inspirieren: Kunst, Literatur, Reisen. „Leben heisst, Erfahrungen sammeln. Was heute gut ist, kann in einem halben Jahr überholt sein.“ Ein wichtiges Stichwort ist ihm auch die Musse: „ Der Mensch braucht Zeit, um Innezuhalten und Nachzudenken. So können neue Ideen entstehen.“


Eine Galerie und viele Ideen

Im vergangenen Jahr hat er in der Rheinfelder Marktgasse 26 eine Galerie eröffnet, wo er Werke von befreundeten Künstlern ausstellt,mit seinen Klienten künstlerisch arbeitet und ab Herbst  Workshops anbieten wird. "Diesen Sommer werde ich einen Basler Künstler mit einem Pensum von 30-Prozent einstellen, um diese Galerie noch mehr mit Vorträgen, Hauskonzerten und weiteren Events für Jung und Alt  zu beleben.“ Kommerzielle Interessen verfolgt er dabei nicht. „Das mache ich aus Begeisterung für das Schöne und den kreativen Austausch.“ Sein persönliches Arbeitspensum möchte er hingegen etwas reduzieren, um wieder mehr Zeit für Neues zu haben. Was er in ein paar Jahren macht, ist offen: Bei Meinrad Bürke scheint vieles möglich.


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